Kollektives Versagen in Spanien
PALMA DE MALLORCA / MADRID / SPANIEN (06.12.2010): Was waren das für Szenen, die sich die vergangenen Tage auf Mallorca und in Spanien abgespielt haben: 90 Prozent der Fluglotsen meldeten sich krank, verließen ihre Arbeitsplätze und stürzten das Land in ein bisher nicht gekanntes Chaos. Hunderte Flüge fielen aus, rund 250.000 Passagiere saßen fest. Dann verhängt die Zentralregierung erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur den Alarmzustand und zwang die Lotsen mit Militär- und Polizeigewalt in die Knie. Für Weihnachten wurde gleich prophylaktisch ebenfalls ein Streikverbot verhängt.
Und warum das Ganze? Der Konflikt zwischen Regierung und Lotsen zieht sich schon seit Jahren hin und dreht sich vor allem um Löhne und Arbeitsbelastung. Die Lotsen sind Angestellte der staatlichen Flughafenbetreibergesellschaft Aena, die vom spanischen Verkehrsminister kontrolliert wird. Eigentlich arbeiten die Flugkontrolleure nach einem alten Tarifvertrag aus dem Jahr 1999. Dessen Grundgehalt von 140.000 Euro ist im Laufe der Jahre durch vereinbarte und bezahlte Überstunden auf rund 330.000 Euro pro Jahr angestiegen.
Verkehrsminister José Blanco ordnete dann im April dieses Jahres per Gesetz an, dass die Arbeitszeit der Lotsen von bislang 1200 Jahresarbeitsstunden auf 1670 zu steigen hat. Dies bedeutete, dass die Lotsen inklusive von Überstunden auf ein jährliches Gehalt von rund 200.000 Euro kämen, de facto eine Lohnkürzung um rund 50 Prozent. Das Fass zum Überlaufen brachte dann die Ankündigung der unter massivem Spardruck stehenden Regierung, die Berechnung der Arbeitsstunden zu verschärfen und die spanischen Flughäfen zu privatisieren. Das war zuviel. Letzteres stieß sogar bei eigenen Parteifreunden wie etwa Balearen-Regierungschef Francesc Antich auf wenig Verständnis.
Insgesamt also eine Menge zu schlucken für die Lotsen, die seit einiger Zeit mit Flughafenbetreiber Aena über Löhne, Arbeitsbedingungen und Vergünstigungen verhandeln. Bei all dem muss berücksichtigt werden, dass die spanischen Luftraumüberwacher nach wie vor zu den Spitzenverdienern ihrer Branche in Europa gehören und zudem über eine Macht verfügen, das ihresgleichen sucht. Immerhin schaffen sie es, allein durch die Androhung von Streik die Tourismusbranche eines ganzes Landes und auch im damit verbundenen Ausland regelmäßig in Angst und Schrecken zu versetzen.
„Privilegierte Schurken“ nannte sie denn auch zum Beispiel die „Süddeutsche Zeitung“. Diese zollte der spanischen Regierung „Anerkennung und Respekt für ihr rasches und energisches Handeln, mit dem sie dem wilden Streik ein Ende bereitete. Dieser Ausstand bewegte sich am Rande des zivilen Putsches.“
Bei all dem bleibt außer acht, dass die spanische Regierung, der Umfragewerte seit Wochen und Monaten im Keller sind, gerade im Verhältnis mit den Fluglotsen äußerst ungeschickt agiert und die seit Monaten sowieso übersensiblen Lotsen mit ihren eigenmächtigen Vorstößen vor den Kopf gestoßen hat.
Und auch wenn der kollektive spontane Ausstand unüberlegt und kontraproduktiv für die Sache der Lotsen war, trägt die Regierung Zapatero zumindest Mitschuld an der Eskalation. Wer den großen Hammer herausholen muss, um Streikende in die Knie zu zwingen,entlarvt sich ein Stück weit selbst.
05.12.10 21:25
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